Wer sind die echten Biker?

Wer sind die echten Biker?

Es gibt einen Begriff, über den man früher oder später unweigerlich stößt, wenn man in dieser kunterbunten Szene unterwegs ist. Die Rede ist vom „Echten Biker“. Mir drängt sich jedes Mal die Frage auf, wer oder was wohl damit gemeint ist?

Wenn es Echte gibt, muss es zwangsläufig auch die Unechten geben, das zumindest halte ich für eine logische Schlussfolge. Nun bin ich deutscher Staatsbürger und denen wird gerne das so genannte Schubladendenken nachgesagt, wogegen ich seit jeher anzukämpfen versuche. Und wie viele unter Euch haben soeben die beiden Schubladen aufgezogen, auf denen echt und unecht steht?

Und jetzt würde mich interessieren, wen Ihr in welcher gesehen habt? Ich wette, der größte Teil von Euch hat sich selbst in der „Echten“ gesehen, wobei die Andere ebenso randvoll gefüllt war? Angenommen auf diesen Seiten tummelt sich eine bunte Mischung aus allen, dann kann das aber rein statistisch schon nicht sein… Grund genug dafür, sich an dieser Stelle mal ein paar tiefer gehende Gedanken zu machen.

Analysiert man diese Grundsatzfrage etwas genauer, so scheint sich die Gemeinde in zwei Lager zu spalten. Der Veranstaltungskalender für das nächste Jahr ist prall gefüllt. Wer durch die einschlägigen Foren surft, stolpert gradezu über all jene, die sich bereits über die Art und Weise der Anreise auslassen.

Auf eigener Achse oder auf dem Trailer, das scheint für viele fast schon eine Glaubensfrage zu sein. Ist also nur der ein echter Biker, der sich auf zwei Rädern über verstopfte Autobahnen quält, Wind und Wetter trotzt… der gerne die Kosten von ein paar zusätzlichen Inspektionen samt Verschleißteilen in Kauf nimmt, weil er eben ein echter Biker ist?

Und sind dann all jene die „Unechten“, die ihr bestes Stück auf den Hänger zurren und von A nach B schleppen? Am Zielort dürften beide Parteien gleich viel Spaß haben …
Ist euch eigentlich mal aufgefallen, dass es diese Diskussion nur unter Motorradfahrern gibt? Bei keinem Freizeitsegler würde man auf die Idee kommen, auch nur im Ansatz zu vermuten, dass dieser über irgendwelche Kanäle und Flüsse an die Küste geschippert ist, um vor Ort eine schöne Zeit zu verbringen.

Gleiches gilt für Segelflieger, Radfahrer und Windsurfer. Aber um ein echter Biker zu sein… warum zum Teufel ist das so?

Ich gestehe, dass ich die 50 Lenze bereits überschritten habe. Ich behaupte aber mal, dass ich in den letzten Jahrzehnten deutlich mehr Kilometer auf zwei Rädern zurückgelegt habe, als die meisten der hoch geschätzten Leser hier.

Früher, da war ich mal ein echter Biker, da bin ich überall auf eigener Achse hin. OK, ich hatte keine Kohle für Auto und Anhänger, ich hätte folglich auch gar nicht anders gekonnt. Heute würde es mir im Traum nicht mehr einfallen, mich quer durch Frankreich zu quälen, um in den Pyrenäen Motorradfreuden zu genießen.

Trailer sind eine feine Sache, Autoreisezüge auch und namhafte Speditionen haben sich längst darauf spezialisiert, das „rundum-sorglos-Paket“ für Motorradfahrer anzubieten. Ich will ankommen und genießen und nicht erst drei Massagen und ein Sauerstoffzelt benötigen, um mich von den Strapazen zu erholen.

Um ehrlich zu sein, mir ist es vollkommen schnuppe, ob Ihr mich nun für einen Echten oder eben einen Unechten haltet. bei dieser Frage kommt es am Ende doch nur darauf an, dass jeder so viel Spaß auf seinem Motorrad hat, wie möglich. Bitte… fahrt tausende von Kilometern über Autobahnen, nur mein Ding ist das eben nicht mehr.

Es macht eben einfach keinen Spaß. Und all jenen, die auf Ihrem Bock nur zur nächsten Eisdiele oder immer die gleiche Route zum nächsten Mopedtreff pöttern… bitte, kann man ja mal machen, wenn’s euch Spaß macht, mir eben nicht.

OK, all jene unter euch, die ebenso lange wie ich im Sattel sitzen, kennen auch die Zeiten, als Motorradfahrer eine eingeschworene Gemeinschaft waren. Es reichte, wenn man sich auf dem Motorrad fortbewegte und man gehörte ungewollt dazu.

Wir waren nicht unbedingt Outlaws (die gab’s damals auch, das war nur nichts für mich), aber von der Gesellschaft nicht unbedingt vollständig akzeptiert. Beispielsweise war es nahezu unmöglich, in Lederkombi (die waren damals ausschließlich schwarz) ein Hotelzimmer zu bekommen.

Das wir anders als die Anderen waren hat uns einst nicht nur verbunden, sondern es hat vor allem bewirkt, dass wir deutlich aufgeschlossener gegenüber andersartigen waren. Wir waren eindeutig toleranter.

Und somit geht es nicht um die Frage nach echt oder unecht, sondern ich vermisse heute die Toleranz gegenüber alles und jeden, der eben nicht so tickt, wie man selbst.

Es ist völlig unerheblich, was du für ein Motorrad, welche Marke, welches Modell du fährst, es ist egal wie weit oder wohin du damit fährst, wichtig ist am Ende doch nur, dass jeder seien Spaß damit hat.

Und ich würde mich sehr freuen, wenn ich ein bisschen dieser toleranten Gemeinschaft von einst wiederbekommen könnte, ich kann allerdings auch ohne meinen ganz persönlichen Spaß am Motorradfahren haben…

In diesem Sinne, die linke Hand zum Gruß,
Peter Schulz

Text & Fotos: Peter Schulz

Kolumne: Gastautor Peter Schulz  / Motorrad Redakteur, Buchautor, Foto und Filmemacher

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