Harley-Davidson Führungskrise – Investoren vs. Vorstand
Management im Gegenwind – Warum Harley-Davidson mehr braucht als einen CEO-Wechsel
Die Harley-Davidson Führungskrise spitzt sich zu: Investoren rebellieren, Händler kämpfen – und die Zentrale steht unter Druck.
Es brodelt in der Führungsetage von Harley-Davidson – und das nicht nur hinter verschlossenen Türen. Mit H Partners hat sich der zweitgrößte Aktionär offen gegen das Management positioniert. Die Forderung: CEO Jochen Zeitz soll sofort gehen. Doch bei dieser Personalie allein wird es nicht bleiben. Der Fall zeigt, dass Harley-Davidson derzeit nicht nur ein strategisches, sondern auch ein strukturelles Problem hat. Wenn jetzt nicht mutig und durchdacht gehandelt wird, droht ein schleichender Vertrauensverlust – intern wie extern.

Eine Marke im Spannungsfeld – Kritik von Investoren
H Partners hält rund 9 % der Anteile und hat kürzlich erklärt, gleich drei Direktoren aus dem Verwaltungsrat entfernen zu wollen – darunter Jochen Zeitz selbst. Besonders deutlich wurde der Druck, als Jared Dourdeville, Vertreter von H Partners im Verwaltungsrat, mit einem offenen Rücktritt und massiver Kritik an der Unternehmenskultur abtrat. Seine Worte: Harley-Davidson leide unter „kultureller Verarmung“ und einem Mangel an Führungsstruktur.
Jochen Zeitz – Vom Krisenmanager zum Reformer?
Jochen Zeitz trat 2020 in einer schwierigen Phase an die Spitze von Harley-Davidson. Damals lag der Aktienkurs bei rund 14 Euro (ca. 15 US-Dollar). Die Pandemie, ein überfrachtetes Modellprogramm und eine stagnierende Markenentwicklung hatten die Aktie und das Vertrauen der Investoren schwer belastet.
Zeitz strukturierte das Unternehmen konsequent um: Mit dem „Rewire“-Programm strich er Modelle, Märkte und interne Strukturen zusammen. Die anschließende „Hardwire“-Strategie fokussierte sich auf Profitabilität, ausgewählte Premium-Modelle und den Ausbau von LiveWire als E-Marke. In der Folge wurde auch der Markt in Südamerika zwischenzeitlich aufgegeben – mittlerweile gibt es dort jedoch wieder offizielle Stützpunkte.
Tatsächlich erholte sich der Aktienkurs zwischenzeitlich deutlich – im Frühjahr 2021 lag er über 40 US-Dollar. Doch seit 2022 ging es erneut bergab. Bis April 2025 hat die Aktie fast 45 % an Wert verloren.
Fehlende Modelle – Händlernetz unter Druck
Einer der größten Kritikpunkte kommt aus dem Händlernetz. Viele der starken US- und internationalen Händler, die jahrzehntelang die Marke getragen haben, sind unzufrieden. Fehlende Modelle, vor allem im unteren Preissegment, führen nicht nur zu rückläufigen Zulassungen, sondern schlagen sich direkt auf die Ertragslage der Händler nieder:
• Weniger Neuverkäufe = weniger Umsatz
• Kein passendes Einstiegsmodell = geringere Neukundenquote
• Kein Zubehörabsatz ohne Bike = Umsatzeinbruch in Bekleidung, Parts & Accessories
• Weniger Neumaschinen = geringere Auslastung in der Werkstatt
Die Kritik ist vor allem in den USA unüberhörbar. Dort fühlen sich viele Händler nicht ausreichend in strategische Entscheidungen eingebunden. Die Kommunikation mit der Zentrale in Milwaukee gilt als einseitig – das operative Wissen der Händler vor Ort wird kaum berücksichtigt, obwohl sie tagtäglich im direkten Kundenkontakt stehen.
Der Frust hat konkrete Folgen: Mehrere große, traditionsreiche Harley-Davidson-Händler in den USA haben 2024 ihre Geschäfte geschlossen, darunter:
• Los Angeles Harley-Davidson in Fullerton
• New York City Harley-Davidson in Queens
• Taboo Harley-Davidson in Alexandria, Louisiana
• Hideout Harley-Davidson in Joplin, Missouri
Die Gründe: sinkende Erträge vor Steuern, fehlende Modelle und geringere Margen im Zubehör- und Werkstattgeschäft. Was sich dort zeigt, ist mehr als ein lokales Problem. Es ist ein struktureller Warnruf.
Polarisierung statt Profil – DEI als Spaltpilz
Die Entscheidung, ab 2020 stark auf DEI (Diversity, Equity & Inclusion) zu setzen, war intern wie extern umstritten. Während manche das als Schritt in Richtung moderner Unternehmenskultur begrüßten, fühlte sich ein großer Teil der klassischen Harley-Kundschaft nicht abgeholt.
Viele in der Community sagten offen: Das passt nicht zur Marke. Und in einem zweiten Schritt wurde genau diese Strategie 2024 wieder eingestampft – nach Kritik konservativer Gruppen und politischen Boykottaufrufen.
Das Ergebnis: eine doppelte Entfremdung. Die einen verloren Vertrauen in die Haltung des Unternehmens, die anderen fühlten sich durch die zwischenzeitliche Wende verunsichert. Klar ist: Die DEI-Initiativen wurden nicht sauber in die Markenidentität integriert, sondern wirkten aufgesetzt – und das rächt sich jetzt.
Strukturelle Schwächen: Führung, Teams, Vision
Viele strategisch wichtige Positionen im Unternehmen sind derzeit unbesetzt oder nur übergangsweise besetzt. Die Kommunikation zwischen zentralem Management und operativer Fläche stockt.
Ein neuer CEO allein reicht nicht. Harley-Davidson braucht:
• Teamstärke statt Top-Down-Kultur
• Produktnahe Entscheidungen, bei denen Händler eingebunden sind
• Markenkommunikation, die zur Community passt
• Eine realistische Modellpolitik, die wieder Volumen schafft
• Langfristig ausgerichtete Führungsteams mit echter Motorrad- und Markenerfahrung
Jetzt ist die Zeit für Klarheit
Die Marke Harley-Davidson hat noch immer gewaltiges Potenzial. Aber sie darf sich nicht nur auf Vergangenheit und Image verlassen. Das starke Händlernetz, die einzigartige Community und eine weltweit bekannte Marke – das sind die Pfeiler, auf denen alles aufbauen kann.
Die Führung muss jetzt den Beweis antreten, dass sie nicht nur Aktienkurse, sondern Substanz und Kultur im Blick hat. Zulassungszahlen, Händlererträge und Marktpräsenz müssen wieder steigen – und das gelingt nur mit passenden Modellen, einer produktiven Struktur und ehrlicher Nähe zur Basis.
Text: Harleysite / Volker Wolf
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