Modellstart im Herbst – neue Sportster-Generation im Gespräch
Verschiebt Harley-Davidson den Modellstart dauerhaft auf den Herbst?
Bisheriger Modelljahres-Zeitplan und Änderungen
Traditionell stellte Harley-Davidson neue Modelljahrgänge in der zweiten Jahreshälfte vor – oft im Spätsommer (August) auf Händler-Meetings. Unter CEO Jochen Zeitz wurde diese Praxis jedoch geändert: Ab 2020/21 verlagerte Harley-Davidson die Neuheiten-Präsentation auf Januar zu Beginn des Kalenderjahres. Diese Umstellung (von August auf Januar) führte dazu, dass im letzten Quartal des Jahres keine neuen Modelle mehr in die Schauräume kamen, was den Absatz im Jahresendquartal belastete.
So verzeichnete Harley-Davidson im vierten Quartal 2020 einen deutlichen Umsatzrückgang, da neue Modelle erst im Januar darauf vorgestellt wurden. Vor diesem Hintergrund evaluierte das Management, ob der Modellvorstellungs-Zeitpunkt strategisch angepasst werden sollte, um Absatzschwächen im Herbst/Winter zu begegnen und die Händler besser zu unterstützen.
Bestätigung der Verlegung auf Herbst 2025 durch das Management im Earnings Call
In der Analystenkonferenz zu Q1 2025 kündigte das Unternehmen an, den Modellzyklus wieder in den Herbst zu verlegen. Harley-Davidsons Finanzchef – Jonathan Root (CFO und President of Commercial) – erklärte in dem Earnings Call am 1. Mai 2025 ausdrücklich: Man werde beginnen, den Modelljahrgangs-Zeitpunkt in den Herbst zu verschieben, um zusätzliche Verkaufsmöglichkeiten später im Jahr zu schaffen. Quelle
Im Juni 2023 wurde Jonathan Root als neuer CFO von Harley-Davidson ernannt. Root war zuvor Senior Vice President bei Harley-Davidson Financial Services (HDFS) und bringt umfassende Erfahrung im Finanzdienstleistungsbereich mit. Link
Diese Aussage stellt die erste offizielle Bestätigung dar, dass Harley-Davidson den Launch seiner neuen Modelle künftig vom Jahresanfang auf den Herbst umstellen will. CEO Jochen Zeitz unterstrich ebenfalls, dass Harley-Davidson sein Angebot und die Produktionsplanung an die Nachfrage anpasst und neue Initiativen (z.B. kleinere Einsteigermodelle) plant – die Verschiebung des Modellzeitplans fügt sich in diese strategischen Maßnahmen ein, auch wenn Zeitz selbst im Call vor allem auf Produkt- und Marktthemen einging.
Die konkrete Ankündigung zur Zeitplanänderung kam vom CFO, was sie zu einer belastbaren Information macht. Zudem wurde die Maßnahme in keinem offiziellen Pressefinanzbericht wörtlich erwähnt, aber im Q1-2025 Earnings Call deutlich kommuniziert, womit sie faktisch Bestandteil des unternehmensstrategischen Ausblicks ist.

Gründe für die Verschiebung auf den Herbst 2025
Das Management nannte mehrere Gründe für die Umstellung des Modelljahres-Zeitplans. Laut CFO Root basiert der Schritt „auf viel Feedback“ von Händlern und Kunden. Insbesondere hätten Händler rückgemeldet, dass eine Vorstellung neuer Modelle im Herbst für mehr Begeisterung und Kundenzulauf sorgen würde, da „Schlüsseldaten und besondere Momente“ (etwa Launch-Events) besser in die zweite Jahreshälfte passen.
Ein zentrales Ziel ist es, die Verkaufssaison zu verlängern und zusätzliche Impulse im sonst absatzschwächeren Herbst/Winter zu schaffen. Bisher konzentrierten sich Neuheiten und damit Verkaufspeaks auf den Jahresbeginn, wodurch das zweite Halbjahr weniger belebt war. Mit einer Verlagerung in den Herbst erhofft sich Harley-Davidson zusätzliche Verkaufsmöglichkeiten später im Jahr und eine Stabilisierung des Absatzes über das ganze Jahr hinweg. Root erläuterte, man glaube, dass ein Modell-Launch im Herbst „die Saison ein bisschen verlängert“ und Kunden in den Monaten der fallenden Blätter in die Läden zieht – ein Vorteil, den die Händler sehr schätzen werden.
Zudem ist die Maßnahme eine Reaktion auf die genannten Probleme der letzten Jahre: Die frühere Verschiebung auf Januar hatte zwar zu geringeren Lagerbeständen geführt, aber auch dazu, dass im Herbst keine neuen Produkte verfügbar waren.
Jetzt sollen im Herbst 2025 neue Modelle des Jahrgangs 2026 erscheinen, um diesen Lücke zu schließen und das Interesse der Käufer hochzuhalten. Das Unternehmen will so dem Zyklus von Frühjahr/Sommer-Hoch und Herbstflaute entgegenwirken. Die Gründe sind also vor allem absatzstrategisch: Händlerzufriedenheit, Kundennachfrage nach Neuheiten übers Jahr verteilt, sowie die Optimierung des Verkaufszyklus stehen im Vordergrund.
Herbstmessen als Bühne für starke Auftritte
Gerade der Herbst bietet mit zahlreichen europäischen Motorradmessen ideale Gelegenheiten für Modellpräsentationen und direkte Nähe zur Szene. Dazu zählen die EICMA in Mailand, die Motor Bike Expo in Verona sowie die Custombike-Show in Bad Salzuflen, eine der bedeutendsten Custombike-Messen Europas. Auch regionale Events wie die Swiss-Moto in Zürich, sofern sie stattfindet, bieten zusätzliche Plattformen. Wer hier nicht vertreten ist, verzichtet auf wertvolle Sichtbarkeit gegenüber genau den Menschen, die Harley-Davidson auf der Straße stark machen.
Die Verschiebung des Modelljahr-Launches hat vielfältige Auswirkungen innerhalb des Unternehmens und auf die Partner.
Ein veränderter Veröffentlichungszyklus erfordert entsprechende Marketingplanung. Root wies darauf hin, dass dies den Arbeitsaufwand für die Marketing- und Vertriebsteams erhöht, insbesondere im Übergangsjahr, in dem die Umstellung erfolgt. Im Jahr der Veränderung (2025) muss Harley-Davidson faktisch zwei Modellvorstellungen eng aufeinander koordinieren (die reguläre Anfang 2025 und die vorgezogene für 2026 im Herbst 2025). Dies bedingt zusätzliche Marketingkampagnen, Launch-Events und Schulungen. Der CFO sprach von einem „kräftigen Kraftakt“ („a heavy lift“) für Marketing und Händler-Training in dem Jahr, in dem die Änderung startet.
Jetzt erklärt sich die fragwürdige Präsentation im Januar, somit können wir davon ausgehen, dass es im Herbst noch einen Schub an neuen Modellen geben wird.
Produktion und Lieferkette: Die Modellzeitplan-Verschiebung tangiert auch Produktion und Supply-Chain. Wenn neue Modelle künftig früher (im Kalenderjahr gesehen) auf den Markt kommen, müssen Entwicklung, Fertigung und Auslieferung entsprechend vorgezogen werden. Root betonte, dass die Änderung „Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen“ hat und nur mit erheblichen Anstrengungen in Engineering, Lieferkette und Fertigung umzusetzen ist.
Es geht darum, alle beteiligten Prozesse – von der Modellentwicklung über Teilezulieferung bis zur Auslieferungslogistik – zeitlich neu zu justieren. Diese bereichsübergreifende Koordination ist komplex und der CFO sprach von einem „herkulischen Aufwand“ (“Herculean effort”) für die internen Teams.
Praktisch bedeutet das, dass Harley-Davidson bereits 2025 Teile der Produktion für Modelljahr 2026 vorziehen und Lager-/Auslieferungspläne anpassen muss, damit die Händler im Herbst beliefert werden können. Die aktuelle Lagerbestandslage gibt hier etwas Luft: Das Unternehmen hatte Ende 2024 die Händlerbestände bereits um ~10% reduziert und spricht von einer verbesserten Inventarsituation im Frühjahr 2025, was den Übergang erleichtert. Insgesamt jedoch erfordert die Umstellung intensives Change-Management mit den Handelspartnern.
Neue Sportster-Gerüchte und der späte Joker von Jochen Zeitz
Was sich bei Harley-Davidson gerade im Hintergrund bewegt
Während offiziell noch wenig bestätigt ist, mehren sich hinter den Kulissen die Zeichen, dass Harley-Davidson an einer neuen Sportster-Generation arbeitet. Klassische Designmerkmale sollen zurückkehren, moderne Technik wird erwartet – und nicht zuletzt dürfte dieser Schritt auch strategische Gründe haben. Ich beobachte die Entwicklung seit einiger Zeit und habe den Eindruck: Bei Harley tut sich etwas. Zeitz hat noch nicht alles ausgespielt – und genau das könnte erklären, warum er sich trotz Kritik im Amt halten konnte.
Seit einigen Monaten kursieren Gerüchte über eine neue Sportster-Generation. Sie soll sich optisch wieder stärker an der klassischen Linie der alten Sportster orientieren – inklusive angedeuteter Kühlrippen, die auf einen luft- oder luft-/ölgekühlten Look hindeuten könnten. Technisch wird ein modernes Konzept erwartet, doch welcher Motor konkret zum Einsatz kommen soll, ist bisher unklar.
Diese Entwicklungen bestätigen meine Vermutung, dass Jochen Zeitz noch einen Joker in der Hinterhand hatte. Möglicherweise war genau das ein Grund, warum er im vergangenen Jahr trotz des öffentlichen Drucks im Zusammenhang mit dem „Woke“-Skandal noch nicht seinen Posten räumen musste.
Inzwischen scheint das Verhältnis zwischen Zeitz und bestimmten Investoren aber zerrüttet. Zu viele Interessen laufen gegeneinander, zu groß ist das Misstrauen.
Die Verschiebung des Modelljahres auf den Herbst hat in der Szene längst die Runde gemacht – nicht zuletzt, weil viele Inhaber und Geschäftsführer US-weit genau dann eingeladen wurden. Man will Präsenz zeigen und Nähe zur Basis aufbauen.
Fakt ist: Die Entwicklungen bei Harley-Davidson nehmen derzeit spürbar an Tempo zu. Wer genau hinschaut, erkennt: Es bewegt sich etwas – und das ist gut so. Fehler der letzten Jahre werden offenbar analysiert. Wenn daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden, blicke ich optimistisch in die Zukunft der Marke.
Zeitz bekommt offenbar noch die Gelegenheit, ein klares Zeichen zu setzen, bevor er sich in den Ruhestand verabschiedet.
Text & Bildnachweis: Harleysite
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