Das Pipeline-Logistikkonzept von Harley-Davidson: Rückblick, Herausforderungen und Ausblick
Harley-Davidson Vertragshändler wünschen sich die Rückkehr zu einem transparenten System, um Kunden besser bedienen zu können.
Mit dem Pipeline-Logistikkonzept hat Harley-Davidson einst ein modernes, innovatives System geschaffen, das den Händlern in ganz Europa enorme Vorteile bot. Es erlaubte ihnen, die Bestände des Importeurs in Echtzeit einzusehen und direkt zu bestellen. Dadurch konnten Händler ihre Kunden präzise und kundenorientiert beraten. Lieferzeiten waren transparent und zuverlässig planbar.
Ein weiterer Vorteil: Händler hatten Einblick in Maschinen, die sich in der Produktion befanden („in production“), inklusive des voraussichtlichen Fertigstellungstermins, sowie in Maschinen, die bereits fertig produziert und auf dem Weg ins europäische Zentrallager waren („on water“). Diese Transparenz erleichterte die Arbeit und stärkte die Kundenbindung.
Dieses innovative Logistiksystem ermöglichte es, Händler transparent und effizient zu vernetzen.
Herausforderungen und ein unerwarteter Systemwechsel
Die Händler waren mit diesem Konzept zufrieden, dennoch brachte es auch Herausforderungen mit sich. Einige wenige Händler nutzten das System aus, um sogenannte „Hamsterbestellungen“ aufzugeben, wenn beliebte Modelle oder Farben in der Pipeline sichtbar wurden. Dies verschaffte ihnen unfaire Vorteile gegenüber anderen Händlern, die seriös arbeiteten. Dennoch bleibt die Überzeugung, dass diese Schwachstellen mit kleinen Anpassungen hätten behoben werden können, ohne das gesamte Konzept infrage zu stellen.
Andere Marken, darunter Triumph, haben das Pipeline-System von Harley-Davidson sogar übernommen – ein Beleg für dessen Innovationskraft und Effizienz. Umso überraschender war es, dass Harley-Davidson das Konzept gegen den Willen der Händler abschaffte und durch das „Managed Supply“-System ersetzte.
„Das Pipeline-Logistikkonzept ermöglichte nicht nur den Überblick über Lagerbestände, sondern half auch, individuelle Kundenwünsche schneller zu erfüllen.“
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Managed Supply: Ein System mit massiven Schwächen
Das Managed Supply-System bedeutete für Händler und Kunden einen deutlichen Rückschritt. Statt selbst Einfluss auf Modell, Farbe und Ausstattung zu nehmen, wurden ihnen Maschinen zugeteilt. Diese Zuweisung führte oft dazu, dass Händler unpassende Maschinen nicht abriefen, während andere Händler genau diese Modelle dringend benötigt hätten – jedoch keine Information über deren Verfügbarkeit hatten.
Die Folge: Die Lagerbestände im Zentrallager wuchsen, und die Außendienst-Mitarbeiter von Harley-Davidson waren zunehmend damit beschäftigt, Umverteilungen zwischen Händlern zu organisieren. Dieser zusätzliche Aufwand sorgte für Unzufriedenheit auf allen Seiten.
Rückkehr zu mehr Transparenz
Harley-Davidson hat inzwischen erkannt, dass die Abschaffung des Pipeline-Systems ein Fehler war, und arbeitet derzeit schrittweise an einer Rückkehr zu einem transparenteren System. Händler können inzwischen wieder die Bestände anderer Händler einsehen und direkt anfragen, ob eine bestimmte Maschine abgegeben wird. Der Transport erfolgt dabei auf eigene Kosten.
Was weiterhin fehlt, ist die vollständige Transparenz über die Bestände im Zentrallager, Maschinen in Produktion und solche, die sich auf dem Wasser befinden. Diese Information wäre für die Händler essenziell, um effizient zu planen und ihren Kunden optimalen Service zu bieten. Aktuell bleibt dieser wichtige Schritt jedoch noch aus.
Ein zum Thema passendes Interview mit Harley-Davidson-Europa-Chef Kolja Rebstock
Die Vision ist ein modernes Logistikkonzept für die Zukunft
Die Händler wünschen sich die Rückkehr zu einem System, das dem ursprünglichen Pipeline-Konzept entspricht, mit vollständiger Transparenz über nicht verkaufte Lagerfahrzeuge, Produktionsfahrzeuge und Fahrzeuge auf dem Weg nach Europa. Diese Transparenz ist der Schlüssel, um Kunden bedarfsgerecht zu bedienen und das Händlernetzwerk effizienter zu gestalten.
Ein solches System wäre im Interesse aller – der Händler, der Kunden und letztlich auch des Importeurs. Harley-Davidson hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es Vorreiter in Sachen Innovation sein kann. Die Hoffnung ist groß, dass Anfang 2025 ein verbessertes Logistikkonzept umgesetzt wird, das an die Stärken des Pipeline-Systems anknüpft und gleichzeitig mögliche Schwachstellen ausräumt. Denn nur so kann Harley-Davidson auch in Zukunft den Ansprüchen aller Beteiligten gerecht werden.
“Eine vollständige Rückkehr zum Pipeline-System würde nicht nur den Händlern, sondern auch den Kunden langfristig zugutekommen.“